Aarhus-Hov

Der Regen hat aufgehört und wir fahren in einen frischen Morgen hinein.

Aarhus liegt achteraus, danke für die Gastfreundschaft, es war sehr schön hier!

Nun liegen wir sicher und geschützt im Hafen von Hou. Der Wind nimmt langsam ab, unser Cockpit ist windgeschützt. Heute habe ich wohl meine Wind-Taufe gefeiert. Andere feiern Feuertaufe, bei mir ist es der Wind. Ich hatte noch nie soviel Wind in eigener Verantwortung auf dem Meer. Auf Ausbildungstörn gab es schon Situationen, die noch überwältigender waren, die musste ich aber nicht verantworten.

Die Prognose für heute verhiess etwa 17 Knoten. Unterwegs trafen wir 18-28 Knoten an. Lange Zeit fuhren wir mit Windstärke 6, in Böen 7. Nachdem wir die Segel für die Lastspitzen eingestellt hatten, verloren wir zwar etwas Speed, konnten aber trotzdem noch mit 4-5 Knoten fahren. Und der Stress war weg. Zum ersten Mal war ich zufrieden mit dieser Bavaria. Obwohl viel kaputt ist im Schiff, hat sie die Böen-Energie in Vortrieb umgewandelt statt in Krängung. Das war toll.

Trotzdem waren wir ziemlich k.o. als wir in Hou angelangt sind. Philipp fuhr erst eine Hafenrundfahrt. Es ist immer angenehm, wenn es viel Platz hat zum drehen. Wir wählten eine freie Box mit dem Bug gegen den Wind.

Das Anlegen war mühsam, unser Vorschiff wurde immer wieder vom starken Wind vertrieben. Schliesslich gelang es uns, festzumachen.

Manche mögen sich fragen, weshalb um alles in der Welt die beiden hier eine gerade Linie runter blochen statt chillig die Inselchen zu besuchen und ein bisschen das Segeln zu geniessen?

Die Antwort: Es ist Arbeit. Bei diesen Starkwindbedingungen muss man ständig umherschauen, sucht die nächsten Seezeichen, vergleicht sie mit der Karte, achtet auf andere Segler (es hatte heute bloss zwei), auf die schnellen Fähren, kontrolliert das Routing, macht Logbuch- und Karteneinträge, beobachtet den Tiefenmesser und trimmt die Segel. Manchmal peile ich um einen Standort zu haben und ihn mit dem GPS zu vergleichen. Ständig balanciert man den Körper aus wegen der Wellen. Das ist etwas, das müde macht. Und wir sind ja auch schon Ü-60.

Dann gilt es immer wieder zu überprüfen, ob wir den angestrebten Kurs vom Wind her segeln können? Müssen wir anluven um diesem Hindernis auszuweichen? Stehen wir dann im Wind? Wann wäre es am besten, den Kurs zu verändern um möglichst lange unter Segel reisen zu können und nicht motoren zu müssen? Wie gross ist der Strom- oder Windversatz? Wir wollen keine Hundekurve fahren. Also rechne!

Dieser schöne Squall zog hinter uns durch. Es ist eindrücklich, diese Energie zu sehen. Drin stecken möchte man nicht unbedingt.

Zwischendurch gibt es immer wieder viele Genussmomente. Zum Beispiel, wenn der Wind grad nicht dreht, die Böen immer etwa gleich sind und keine Untiefen zu erwarten sind. Dann schaue ich umher und freue mich darüber, mit einem Segelschiff zu reisen. Die fünf Tonnen Gewicht nur vom Wind bewegen zu lassen und das Ziel vorgeben zu können. Dann mache ich Znüni für meine Crew, bringe zu trinken und putze die Brillen.

Alles in allem war es toll und aufregend, mit soviel Wind zu segeln. Wir haben einander gut unterstützt und rechtzeitig die Segel gerefft.

Am Nachmittag im Hafen reichte es noch für einen Moment der Ruhe, ein Bier (Philipp), Wasser mit Zitrone (ich), eine Dusche, vorkochen, Apéro mit reif-süssen Nektarinen, französischem Brie und einem vorzüglichen weissen Côtes du Rhone.

Eine Runde Kartenspielen durfte auch nicht fehlen.

Nun kochen wir fertig, planen für morgen, essen unsere Spaghetti mit Tomatenrahmsauce, Kalbfleisch und Kräutern, dazu einem Gurken-Tomatensalat und hauen uns dann aufs Ohr.

Die Streuner-Ente habe ich heute nicht gesehen. Die scheint einen schweren Kopf zu haben vom Feiern gestern oder hatte schlicht Angst, den Schnabel ins Getöse hinaus zu strecken.

Irgendwann wird sie wieder auftauchen und uns ein wenig nerven. Los werden wir sie wohl nicht mehr.

8 Antworten

  1. Ulrich Jutzi sagt:

    Eindrücklich! Noch ist es Arbeit, wie segelt Ihr dann als Pensionäre? 😇. Da schwingt – sowohl im Luv wie im Lee – der Neid eines Nichtkönners mit. Mit Euch als Skipper würde ich als Flat-Earther bis an den Rand der Scheibe segeln … oder darüber hinaus. Herzlich uju

  2. Sabine Heiniger sagt:

    Ich würde es wie Streuner-Entchen machen: verstecken, bis das Wetter vorbei ist. Ich bin definitiv eine Landratte. Ausser, die Aare lockt, wie jetzt gerade in diesen Tagen.
    Das feine Essen und den Weissen habt ihr euch redlich verdient!

  3. Geri sagt:

    Hallo Marianne, hallo Philipp
    Danke für eure Reiseberichte. Das tönt nach harter Arbeit. Ich hoffe aber, dass ihr die Zeit im Norden geniessen könnt. Ein Glas Côte-du-Rhône hilft dabei bestimmt. Ich geniesse den Wein im Côte-du-Rhône bei 30 bis 35 Grad.
    Kommt gut und sicher zurück. Ich freue mich euch bald wieder persönlich zu treffen.
    Geri

  4. Mueti sagt:

    Diese Meerbilder sind einfach eine Versuchung, übrigens Aarhus auch. Heute geht das «Schwanzen» nicht mehr so gut, aber ich habe es auch genossen. Du schreibst von einer Runde Kartenspielen – war es Romé? Uebrigens schliesse ich mich Geris Wunsch an: kommt gut wieder heim!

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